Der Verlust eines geliebten Menschen ist wie ein Erdbeben. Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung stürzt alles ein. Es herrscht Chaos. Man steht unter Schock, will es nicht wahrhaben. Der Boden wird einem unter den Füßen weggezogen.
Alles ist anders. Nichts hat mehr Bestand.
Nach der ersten Schockphase (eine Schutzreaktion des Körpers) holt einen die Realität jedoch mit unvermittelter Härte wieder ein. Das Unfassbare wird wahr. Die Emotionen brechen auf. Wut, Verzweiflung, Enttäuschung, Scham, Angst, Sinn- und Hoffnungslosigkeit und vieles mehr. Die Trauerreaktionen sind jedoch so individuell, wie jeder einzelne Mensch.
In unserer Gesellschaft ist jedoch leider wenig Platz für Trauer. Viele meinen, Trauer gehöre "auf den Friedhof". Schon nach kurzer Zeit soll man wieder funktionieren, soll der Alltag wieder eintreten. Man soll wieder so sein wie vorher. Aber das geht nicht. Nichts ist mehr wie vorher und es wird auch nie mehr so sein.
Es verändert sich sehr viel in unserem Leben - oft auch das eigene Umfeld und was uns früher wichtig war, ist plötzlich alles unwichtig geworden.
Es gibt Menschen die meiden uns, als hätten wir eine ansteckende Krankheit. Andere erdrücken einen mit übertriebener Fürsorge und vermeintlich guten Ratschlägen (die manchmal tatsächliche "Schläge" ins Gesicht sein können). Es ist erstaunlich, dass selbst nahestehende Menschen in Gesprächen mit aller Gewalt verhindern wollen, über das tragische Ereignis oder den Verstorbenen zu sprechen.
Die Zeit zum Trauern ist lebenswichtig, aber nur die wenigsten nehmen sich die Zeit oder geben sich selbst die Erlaubnis zum Trauern. Oft sind es auch die äußeren Umstände, die eine normale Trauerreaktion hervorrufen. Unterdrückte Trauer führt jedoch erfahrungsgemäß zu zahlreichen körperlichen und seelischen Krankheiten, manchmal erst viele Jahre später. Deshalb ist es wichtig zu lernen, mit der eigenen Trauer umzugehen und den eigenen Trauerweg zu finden. Einen "richtigen" Weg gibt es nicht, sondern nur den Willen, trotz des schlimmen Verlustes jeden Tag aufs Neue zu beginnen. Man muss lernen, mit dem Verlust zu leben.
Trauer hört nicht auf - sie verändert sich nur. Es gibt Tage, da verblasst sie - und das ist auch gut so. Man braucht auch Zeiten, in denen man ein wenig abschalten und wieder "leben" kann. Es ist auch sehr wichtig, wieder einmal zu lachen und den Blick nach vorne zu richten. Auch nach langer Zeit kann ganz plötzlich wieder die Erinnerung kommen, so nah, als wäre es gerade erst gestern gewesen. Gerade in der ersten Zeit sind es besondere Tage wie Geburtstage, Weihnachten und Neujahr, die uns besonders schwer fallen und uns Trauernde sehr viel Kraft kostet. Wir können es auch nicht verstehen, dass es Menschen gibt, die feiern und glücklich sind, während doch für uns der Himmel voller Tränen hängt. Aber es ist leider so, denn nicht für alle ist der Himmel eingestürzt, sondern nur für uns Trauernde.
Kinder erleben den Verlust eines nahestehenden Menschen oft ganz anders als die Erwachsenen. Je nach Altersstufe gehen sie sehr unterschiedlich mit dem Verlust um. Ihre Reaktionen verunsichern oder irritieren oft die Erwachsenen, da manchmal der Eindruck entsteht, die Kinder würden gar nicht trauern.
Das gleiche gilt auch für Männer, denn Männer trauern auch anders wie Frauen. Obwohl Männer nicht sehr viel über Trauer sprechen und auch nicht sehr viel von ihren Gefühlen herauslassen, leiden sie aber genauso wie wir Frauen. Kinder und Männer trauern eben anders.
Die verschiedenen Trauerphasen
Trauer ist eine normale Reaktion auf einen schwerwiegenden Verlust oder Schicksalsschlag. Dabei kann es zu einem intensiven und schmerzlichen Trauerprozess kommen, der eine regelrechte "Trauerarbeit" erfordert.
Man liest gerne darüber, darum ausdrücklich hier noch mal: Trauer ist eine normale Reaktion, Trauer ist normal und natürlich, kein Grund sich zu schämen oder sie zu verbergen - und dies ist leider leicht gesagt aber oft schwer getan. Wir haben sterben und Tod weggeschoben, das Ideal ist "gut drauf sein, don´t worry, be happy, ..." und diesem Ideal entspricht der Trauernde nicht. Die Mitmenschen sind oft hilflos, sie wissen einfach nicht was sie den Betroffenen sagen sollen, sie wollen vielleicht helfen aber wissen auch hier nicht wie. Hilflosigkeit ist unangenehm und wird lieber gemieden, und so meiden Freunde und Bekannte vielleicht den Trauernden, um ihrer eigenen Hilflosigkeit zu entgehen.
Trauer ist in verschiedene Phasen einteilbar, wobei hier keine Hierarchie oder zeitliche Reihenfolge festzulegen ist. So verschieden und einzigartig jeder Mensch ist, so ist auch die Trauer bei jedem Menschen unterschiedlich und einzigartig:
Phase 1:
Zuerst will man den Verlust nicht wahrhaben, nur aus einem bösen Traum aufwachen. Man ist wie versteinert.
Phase 2:
Dann kommt es plötzlich zum aufbrechen heftiger Gefühlswallungen: Schmerz, Schuldgefühle, Angst, Wut, Zorn, aber auch quälende Sehnsucht usw. In dieser Phase drohen vermehrt Schlafstörungen, eine besondere Anfälligkeit für Infektionskrankheiten aller Art (z.B. Grippe) sowie unkontrollierte Selbstbehandlungsversuche mit Alkohol, Nikotin, Tabletten usw.
Phase 3:
Schließlich kann der Trauernde an nichts anderes mehr denken, als an seinen schmerzlichen Verlust. Während dieser Zeit zieht er sich zurück und ist mit sich selber und seinem Leid beschäftigt. Doch die Realität holt ihn wieder ein. Der Verlust wird langsam akzeptiert.
Phase 4:
In der letzen Phase bewegt sich der Trauernde wieder auf die Welt und andere Menschen zu. Aber auch das provoziert widersprüchliche Gefühle: Einerseits soll alles offener, intensiver erlebt und gestaltet und nichts soll verpasst werden. Andererseits hat man Angst vor der Zukunft und Furcht, wieder mit Trauer bezahlen zu müssen.
Mit Trauernden umgehen
Die Dauer das Trauerprozesses ist individuell und schwer festlegbar. Selbst das "Trauerjahr" erscheint häufig zu kurz. Auch pflegt der Schmerz nicht zu Beginn, sondern Monate nach dem Verlust am ausgeprägtesten zu sein. Gerade während dieser Zeit aber beginnt die Anteilnahme der Umwelt deutlich zurückzugehen. Der Betroffene wird - offen oder heimlich - aufgefordert, endlich wieder zur Tagesordnung zurückzukehren. Dabei können die einzelnen Trauerphasen erneut aufbrechen, wenngleich kürzer.
Leitgedanken zur Trauer
Trauer ist eine ganz natürliche Antwort auf einen Verlust.
Trauern zu können ist eine Stärke, keine Schwäche.
Trauer zu spüren, heißt mit seinem Innersten in Kontakt zu sein, lebendig zu sein.
Trauer ist keine Krankheit und deshalb mit medizinischen Mitteln auch nicht zu behandeln.
Verzögerte oder chronische Trauer aber kann krank machen.
Der Trauerprozess bedeutet häufig ein Chaos an Gefühlen: Angst, Wut, Hass, Ohnmacht,
Schuldgefühle, Liebe...
Trauer braucht Zeit. Aber: Zeit allein heilt keine Wunden.
Trauer braucht Menschen, bzw. eine Gemeinschaft. Trauer im einsamen Kämmerlein macht
krank.
Trauer braucht Mittel und Wege des Ausdrucks, um ins Fließen zu kommen. Beispiele: Rituale
und Materialien, die zum schöpferischen Tun anregen.
Trauern wirkt heilend. Trauer hat enorme Lebensenergie, in ihr liegen größte Chancen zur
Wandlung und Reifung menschlicher Entwicklung.
Trauerbegleiter müssen die eigene Trauer kennen.
Die Trauer darf nicht verhindert werden
Die BEHANDLUNG des Trauerprozesses ist schwieriger, als es sich die meisten vorstellen. Auf jeden Fall soll man nicht versuchen, dem Trauernden die Trauer zu nehmen. Besonders bei Betroffenen in jungen Jahren, aber auch vor allem im höheren Lebensalter darf man nicht die eigenen Maßstäbe anlegen. Trauernde werden von ihrer Umgebung nach einer Zeit der Schonung schließlich als belastend empfunden. Deshalb sollen sie nach Ansicht der anderen ihren Schicksalsschlag möglichst bald überwinden. Trauernde müssen aber ihre Gefühle zeigen dürfen.
Falsche Ratschläge!
Falsche Ratschläge ("gönnen Sie sich mal wieder ein Vergnügen"), nutzlose Appelle ("Sie müssen sich einfach mehr zusammennehmen"), leere Redensarten ("glücklicherweise ist sonst nichts passiert") usw. sind keine Hilfe und erschweren die Trauerarbeit.
Richtig trösten kann man lernen.
VORSICHT: Nicht oberflächlich trösten oder den Verlust herunterspielen, sondern eher still-verständnisvoll mitleiden. Anwesenheit und stumme Zuwendung bedeuten mehr als Worte. Der wichtigste Faktor ist Geduld auf lange Sicht! Vorsicht ist auch an Wochenenden, Feiertagen und Jahrestagen angebracht (Einsamkeit, Rückblick, Erinnerung). Kleine Aufmerksamkeiten signalisieren Verbundenheit in der Not und spenden mehr Trost, als man gemeinhin erwartet: Postkarte, Anruf, kurzer Besuch. Entsprechende Bücher oder der Kontakt mit Menschen, die ihren Trauerprozess gerade erfolgreich abschließen konnten, sind oftmals hilfreich.
Der letzte Tag
Philipps letzter Tag
Am 18.07.02 wurde unsere Welt kräftig von rechts nach links gedreht. Am 18.07.
wurde Philipp von einer Rangierlok erfasst und getötet.
Es war der erste Tag seiner Ferien, die er eigentlich fast bis auf den letzten
Tag verplant hatte. Gerade mal 14 Jahre war er am 17.05. geworden und voller
Tatendrang. Am Unfalltag hatte er sich mittags noch "seinen" Roller
angesehen, den er nächstes Jahr im April kaufen wollte.
Beim Mittagessen schwärmte er mir noch vor, was er dann alles unternehmen
wolle. Dann erzählte er mir von einer ausgeliehenen CD, sagte, dass mir
sicherlich das ein oder andere Lied gefallen würde, ich solle mir die CD
abends mal anhören.
Nun wollte er jedoch mit der Bahn nach seiner "Freundin" Nina fahren,
kam noch mit Spaghetti Bolognese - Mund ins Wohnzimmer und sagte:"Kann
ich das anziehen!?" Ich sagte: "Außer dem Mund ist alles in
Ordnung. Auch die Kopfhörer von seinem Discman hatte er mir gezeigt,
sagte, die seien eigentlich blöd weil man die so tief ins Ohr tun müsse,
aber einen geilen Sound haben die. Seine, die er immer benutzte, waren kaputt.
Gesagt habe ich dann, dass das nicht unsere Abmachung sei mit dem Kopfhörer.
Er sollte immer nur einen Stöpsel im Ohr haben. Er sagte: "Guck
mal, ich hab doch nur eine Seite drin" Wie immer als er ging sagte er:
"Dann bis heute Abend, ich hab mein Handy mit falls was ist..."
Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.
Umstände
Die Umstände zu Philipps Tod
Philipp`s Vater arbeitet schon immer bei der Bahn (im Büro,Lokführer
war er NIE). Zuerst bei der DB, dann bei der Siegener Kreisbahn und dort später
bei der HellertalBahn(HTB). Philipp ist mit der Lok und den Schienen groß
geworden. Auch die Verbote und Warnungen was Schienen betraf fehlten nicht.
Am Tag zuvor hatte er sein Fahrrad bei seinem Opa stehen lassen, dass er
sonst bei der Fahrt in der HTB fast immer mitnahm. Also musste er an dem besagten
Tag zu Fuß zur Haltestelle gehen.Der Weg hinter unserem Haus über
die Wiesen war eine Abkürzung, sie muss aber nicht zwangsläufig
über Schienen führen.Trotzdem hat Philipp diesen Weg gewählt, da für
ihn eins ganz sicher war: Die HTB konnte nur von vorne kommen, da er den Fahrplan
inn- und auswendig kannte.
Nur fuhr die Rangierlok aus der anderen Richtung an dem Tag etwas später als sonst.
Niemals, mit keinem Gedanken hat er damit gerechnet, das eine Lok von hinten kommen könnte,da die Strecke eingleisig ist.
Wenn das für ihn eine unsichere Sache gewesen wäre, hätte er
auch den Kopfhörer seines Discmans nicht aufgehabt. Noch ca. 25 m trennten ihn
von dem befestigten Bahnsteig.
Zu allem Unglück war es auch noch sein
Lieblingslokführer, der die Rangierlok fuhr. Der ihn, als er noch kleiner
war, öfter auf dieser Lok mitgnommen hat. Dieser hat wirklich alle
erdenklichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um Philipp zu warnen, aber
durch die laute Musik auf seinen Ohren konnte er die herannahende Lok und
ihre Hupsignale nicht hören.
Sekunden vor seinem Tod ging er wiegenden
Schrittes und ahnungslos in
Richtung Bahnsteig.
Das war der Tag an dem Philipp sterben sollte.
Ob durch diese Rangierlok, oder vielleicht im Straßenverkehr, oder
durch andere Umstände.